Zurück zur Liste

Lasst uns unnötige Scham ablegen!

Bern Hypnose – Janine Aerni

Janine Aerni
am

Ich erinnere mich lebhaft an die Schlangensteh-Situationen an der Migroskasse vor zwanzig Jahren. Da habe ich mich geschämt. Wofür? Das weiss ich auch nicht genau. Denn passiert ist jeweils - nichts. In meiner Vorstellung ist mir aber die Brieftasche runtergefallen, meine Karte hat nicht funktioniert beim Bezahlen, ich habe nur gestammelt, wenn mich die Kassiererin etwas gefragt hat. Mein gedankliches Pannenszenario war voller kreativer Ängste. Und das hat Scham ausgelöst bei mir. Mein Gesicht war ganz rot, wenn ich an der Reihe war.

Das war es auch dann, wenn ich vor einer Gruppe etwas gesagt habe. Meinen Mut gefasst habe und meine Meinung kundgegeben habe. Es könnte ja doof sein, was ich denke. Oder jemanden vor den Kopf stossen. Ich habe auch einen Anflug von Scham, wenn ich diese Texte publiziere. Ich erfinde damit ja nicht das Rad neu, diese Themen wurden alle schon besprochen. Und meine Schreibweise ist nicht sehr hochstehend.

Sind das Gründe, sich zu schämen? Wer impft uns das eigentlich ein? Wer darf bestimmen, wann man sich zu schämen hat? Für eine Meinung, für eine Handlung, für eine Körperstelle, seine Nase, sein Gewicht oder für’s Nägelkauen? Decken wir mit Scham nicht einen grossen Teil unseres inneren Leuchtens ab und kreieren Schatten? Könnten wir nicht so viel energievoller durchs Leben gehen ohne Scham-Ballast?

Ich habe meinen Kindern auch schon gesagt: “Jetzt schäme ich mich für dein Verhalten”. Das passiert. Nur finde ich es nicht sonderlich hilfreich. Könnte ich vielleicht das nächste Mal erklären, dass mir das Geschehene unangenehm ist und aus welchem Grund? Würde dies mehr Empathie generieren als unangenehme, lähmende Scham und längerfristig gesünder sein, für alle Beteiligten?

Viele schämen sich für ihren Körper oder ein körperliches Merkmal. Warum tun wir das? Können wir diese Scham ablösen? Und vielleicht in uns hineinhorchen und herausfinden, ob es vielleicht Mitgefühl ist mit uns, das wir anstelle benötigen? Geduld und Liebenswürdigkeit?Ob wir gerne fitter wären, weil wir spüren, dass es unserem Körper gut tun würde? Oder wollen wir schlanker sein, damit es der Gesellschaft gefällt?

Ganz ehrlich, ich denken, Scham hat in seltenen Fällen seine Berechtigung. Wenn wir jemanden verletzt haben. Schaden angerichtet haben. Aber auch dann: könnten wir den Begriff Scham mit Reue ersetzen? Das fühlt sich doch gleich vielmehr nach aktiv-werden- können an. Ich bereue etwas und kann es vielleicht wieder gut machen. Mich entschuldigen. Aber Scham - pardon my French - ist doch oft bullshit.

Wo kannst du heute versuchen, die Scham abzulegen? Natürlich, ohne jemandem bewusst zu schaden. Trage das verrückte Kleidungsstück. Sag mutig deine Meinung. Setzte dich öffentlich für jemanden ein. Setzte dich öffentlich für DICH ein. Steh zu deinen vermeintlichen Schwächen, niemand ist perfekt. Du kannst daran arbeiten, wenn du willst. Steh zu dir und deinem Körper oder trau dich, eine Veränderung anzustreben. Ohne Scham. Und geniesse den Antrieb, der entsteht, wenn du offen über ein schambehaftetes Thema sprichst. Du wirst merken, es wird an Macht verlieren, wenn du es teilst mit jemandem.

Sei einfach.

Nachtrag

Eine Freundin hat mir einen Denkanstoss gegeben. Sie sagt, dass Scham hilft, Grenzüberschreitungen zu vermeiden. Sich zu reflektieren. Der Meinung bin ich auch. Vielleicht spreche ich eher von der “falschen Scham”? Und spreche von der angebrachten Scham, welche uns auch schützen kann, eher von Introspektion, Selbstreflexion? Dies erachte ich als äusserst wichtig, denn für ein harmonisches Miteinander ist es wichtig, sich in manchen Situationen zurückzuhalten oder zu regulieren. Und doch finde ich, dass wir im Allgemeinen zu schambehaftet sind und uns viel Lebensfreude verloren geht, wenn wir uns Kleinhalten für Äusserlichkeiten oder Angewohnheiten, für die wir uns schämen.

Weiter lesen

Herbstputz - aufräumen mit den Mythen über Hypnose

Mit Hokuspokus hat therapeutische Hypnose nichts zu tun. Mit ein wenig Magie vielleicht schon.

Trauer

Ein bekannter aber oftmals ungebetener Gast: die Trauer.
Vs Diplomierte Hypnosetherapeutin VSH (Verband Schweizer Hypnosetherapeuten)
Bern Hypnose auf Facebook folgen Janine Aerni auf Instagram folgen
Ethik Nutzungsbedingungen Datenschutzrichtlinie Impressum